24. März 2020
Fragen und Antworten: Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
und flankierende Regelungen
Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19
Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (rückwirkend zum1.3.2020 in Kraft getreten)
1. Was ist das Ziel der Regelungen zum Insolvenzrecht?
Durch die Regelungen soll Unternehmen, die aufgrund der
Auswirkungen der COVID-19-Pandemie wirtschaftliche Schwierigkeiten haben oder bereits insolvent sind, geholfen werden.
2. Welche Regelungen sieht das geplante Gesetz konkret zur Unterstützung von Unternehmen vor?
Das geplante Gesetz sieht im Wesentlichen fünf Maßnahmen zur Unterstüt-zung von durch die COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen vor:
2.1. Zunächst soll die haftungsbewehrte und teilweise auch strafbewehrte
In-solvenzantragspflicht vorübergehend bis zum 30. September 2020
ausgesetzt werden. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll nur für Fälle gelten, in denen die Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit
oder Überschuldung) auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht. Beim Vorliegen einer Zah-lungsunfähigkeit soll für die Aussetzung der
Antragspflicht zudem erforder-lich sein, dass Aussichten auf eine
Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit be-stehen. Durch die vorübergehende Aussetzung der
Insolvenzantragspflicht sollen antragspflichtige Unternehmen die
Gelegenheit erhalten, ein Insolvenzver-fahren, insbesondere unter
Inanspruchnahme der bereitzustellenden staat-lichen Hilfen,
gegebenenfalls aber auch im Zuge von Sanierungs- oder Fi-nanzierungsvereinbarungen, abzuwenden.
2.2. Zudem sollen Geschäftsleiter nur eingeschränkt für Zahlungen
haften, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife des Unternehmens
vornehmen: Während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll für im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgende Zahlungen gelten, dass
diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften
Geschäftsleiters vereinbar sind. Ins-besondere erfasst werden
sollen Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme
des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanie-rungskonzeptes dienen. Diese Regelung soll es Geschäftsleitern ermöglichen,
während der Ausset-zung der Insolvenzantragspflicht im Rahmen von
Sanierungsbemühungen erforderliche Maßnahmen zur Fortführung der
von der COVID-19-Pandemie betroffen Unternehmen im ordentlichen
Geschäftsgang zu ergreifen.
2.3. Während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht an von der
COVID-19-Pandemie betroffene Unternehmen gewährte neue Kredite
sollen nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen sein; ihre Besicherung und eine bis zum 30. September 2023
erfolgende Rückgewähr sollen zudem als nicht
gläubigerbenachteiligend gelten. Dies soll auch für Gesellschafterdarlehen gelten, nicht jedoch für deren Besicherung. Zudem
sollen die neu gewährten Gesellschafterdarlehen vorübergehend nicht
nachrangig sein. Die mit den Regelungen einhergehende
Einschränkung anfechtungs- und haftungsrechtlicher Risiken soll
die Vergabe von neuen Krediten fördern.
2.4. Zudem soll geregelt werden, dass während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erfolgende Leistungen an Vertragspartner nur eingeschränkt anfechtbar sind. Die Beschränkung der Anfechtungsrisiken soll eine Fortführung der Geschäftsbeziehungen zu den von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen unterstützen.
2.5. Des Weiteren soll die Möglichkeit von Gläubigern, durch
Insolvenzanträge Insolvenzverfahren zu erzwingen, für drei Monate
eingeschränkt werden. Hierdurch soll den von den
Auswirkungen der COVID-19-Pandemie be-troffenen Unternehmen Zeit für die Sanierungsbemühungen und
Verhand-lungen mit ihren Gläubigern verschafft werden.
3. Warum ist es wichtig, dass die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt
wird?
Die Insolvenzantragspflicht des § 15a der Insolvenzordnung (InsO) und
des § 42 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist haftungsbewehrt. Die Insol-venzantragspflicht des § 15a InsO ist zudem
strafbewehrt. Das heißt, dass Ge-schäftsleiter, die keinen oder
nicht rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellen, für die aus der
Pflichtverletzung resultierenden Schäden persönlich haften und im
Fall des § 15a InsO strafrechtlich sanktioniert werden. Durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll für Geschäftsleiter von antragspflichtigen Unternehmen die Möglichkeit
geschaffen werden, Sanierungsmöglichkeiten auszuloten, ohne die
Haftung wegen einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht
fürchten zu müssen.
4. Für wen gilt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht?
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll für die Unternehmen gelten, deren Antragspflicht direkt in § 15a der Insolvenzordnung geregelt ist, sowie für Unternehmen, deren Antragspflicht sich aus einem Verweis auf die vor-genannte Vorschrift ergibt. Die Aussetzung soll zudem auch für Vereins- und andere Vorstände gelten, deren Antragspflicht direkt in § 42 Abs. 2 des Bür-gerlichen Gesetzbuchs oder durch Verweis auf diese Vorschrift geregelt ist. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll nur für Fälle gelten, in denen die Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) auf den Fol-gen der COVID-19-Pandemie beruht. Beim Vorliegen einer Zahlungsunfä-higkeit soll für die Aussetzung der Antragspflicht zudem erforderlich sein, dass Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen.
5. Für welchen Zeitraum gilt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht?
Die Aussetzung der Antragspflicht soll zunächst bis zum 30. September 2020 gelten. Sie soll zudem rückwirkend auch den Zeitraum ab dem 1. März 2020 abdecken. Mit der Rückwirkung soll verhindert werden, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für einige Unternehmen, die von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen sind, bereits zu spät kommen kann.
6. Gelten die Haftungs- und Anfechtungserleichterungen nur für
Kreditgeber und Vertragspartner antragspflichtiger insolventer
Unternehmen?
Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betreffen Unternehmen
unabhängig von ihrer Rechtsform. Daher soll auch die Vergabe
neuer Kredite an nicht antragspflichtige Unternehmen, wie z.B. Einzelhandelskaufleute, ge-fördert werden und auch für ihre Vertragspartner
sollen die Haftungs- und Anfechtungserleichterungen
gelten. Zudem sollen die Haftungs- und Anfechtungserleichterungen
bereits greifen, bevor eine Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) vorliegt. Hierdurch sollen frühe
Sanierungsbemühungen gefördert und Unsicherheiten vermieden
werden.